Illustration: FH SCHWEIZ/Flavia Korner
Plötzlich geht nichts mehr. Man schafft es nicht, den Pendenzenberg in Angriff zu nehmen, Ideen fehlen, oder der Kopf lässt sich nicht drehen. Man ist blockiert. Aber warum? Und was hilft dagegen?
Bei F. geht nichts mehr. Wie gelähmt sitzt er am Bürotisch und das seit Tagen. Er sollte das Konzept für ein wichtiges Projekt schreiben, schafft es aber nicht, die Aufgabe anzupacken. Dabei war er so motiviert. Blockade nennt man das. Auch schon erlebt? Die Good News: Blockaden sind lösbar. Egal, ob sie körperlich, psychisch oder mental sind. Die Bad-News: Sie kommen oft vor und können jeden treffen – auch mehrmals.
Verschiedene Fachleute beschäftigen sich mit der Thematik. Psychologen, Physiotherapeutinnen und Ergotherapeuten sehen sich mit unterschiedlichen Symptomen konfrontiert. Einen gemeinsamen Nenner gibt es: Gefühle und Emotionen.
Ergotherapeutin Ruth Joss.
Die Ergotherapeutin Ruth Joss ist überzeugt, dass Blockaden aus Gefühlen bestehen. Der Psychologe Thomas Brandenberger findet bei blockierten Personen jeweils eine Vielfalt an Emotionen – obwohl sie viele rationale Begründungen für ihr Verhalten suchen. Die Patienten der Physiotherapeutin Annelie Klaus kommen mit eingeklemmten Wirbeln zu ihr, welche gewisse Bewegungen blockieren. Sie betont zwar, dass es in der Literatur keine Hinweise darauf gibt, dass Emotionen eine Rolle bei der Entstehung von Blockaden spielen. Dennoch zeigt auch ihre Erfahrung, dass Gefühle ein typischer Begleitfaktor sein können. Emotionen haben oft eine Auswirkung auf den Spannungszustand der Muskulatur.
Psychologe Thomas Brandenberger.
Annelie Klaus mag es aber nicht, zu verallgemeinern. Körperliche Blockaden hätten vielfältige Ursachen. «Frauen und junge Menschen sind besonders häufig von Blockaden betroffen. Ihr Bindegewebe und ihre Muskulatur lassen Verklemmungen der Wirbelsäule eher zu», erklärt sie. Gewisse Verhaltensweisen fördern Blockaden, wie das Verharren in ungesunden Positionen. Ein typisches Beispiel ist das lange Sitzen mit gedrehtem oder geneigtem Kopf. Kaum verwunderlich, dass viele Menschen mit Bürojobs betroffen sind.
Physiotherapeutin Annelie Klaus.
Weit verbreitet ist auch die sogenannte Erledigungsblockade. Konkret: das Aufschieben von Arbeiten. Wenn F. sich zwischendurch aus seiner Lähmung löst, erledigt er alles andere, räumt seinen Pult auf, sogar die Fenster hat er geputzt. Nur das Dokument für das Konzept bleibt leer. «Gemäss Studien leidet jede fünfte Person unter Erledigungsblockaden, auch Prokrastination genannt», so Ruth Joss.
Physische Blockaden lösen sich im Normalfall innerhalb einer Woche von alleine, erklärt die Physiotherapeutin Annelie Klaus. Sie rät, den Selbstheilungskräften des Körpers zu vertrauen, schmerzarme Bewegungen zu machen und sich viel Ruhe zu gönnen. Will man die Genesung beschleunigen, kann man eine Physiotherapeutin oder einen Physiotherapeuten aufsuchen.
Leidet man jedoch unter einer Erledigungsblockade, bringt Abwarten herzlich wenig. Auch zwischenmenschliche Blockaden, etwa die Zusammenarbeit mit einem Kollegen, verschwinden nicht von alleine. Im Gegenteil: Der Leidensdruck wird immer grösser. Viele nehmen das in Kauf, so der Psychologe Thomas Brandenberger «Lieber leiden die Leute weiter, als dass sie etwas dagegen tun. Das Leiden kennen sie. Die Ungewissheit, die eine Veränderung mit sich bringt, macht ihnen Angst».
Leidende werden typischerweise von inneren Konflikten und Gedankenkreisen begleitet: «Soll ich meinen Job, der mich nicht zufriedenstellt, an den Nagel hängen oder nicht? Spreche ich das Problem an oder schweige ich lieber?» Diese Gedanken blockieren die Menschen zusätzlich. Die inneren Konflikte sind Energieräuber. Die Kraft zum Handeln bleibt auf der Strecke. Die Anspannung steigt. Irgendwann kommt es zur Eskalation: Burnout, Depression, Arbeitsausfall. Erst dann kommt ein Stein ins Rollen. Kaum jemand will es soweit kommen lassen.
Hier deshalb einige Massnahmen, die Blockaden lösen, bevor alle Stricke reissen:
Manche Betroffene stecken aber schon zu tief fest. Sie lenken sich durch Verdrängen, Ersatzhandlung, Suchtmittel oder exzessivem Sport vom Problem ab, erstarren oder fühlen sich komplett gelähmt. Irgendwann können sie den Alltag nicht mehr bewältigen. Ruth Joss, Thomas Brandenberger und Annelie Klaus kennen extreme Beispiele: Menschen, die ihre Post nicht aufmachen oder die Rechnungen nicht bezahlen, bis sie sich hoch verschulden. Menschen, die wichtige Arbeit vertagen bis sie sich nicht mehr ins Büro wagen. Menschen, die nach einer Halswirbelblockade Angst haben, sich zu bewegen, weil sie denken, sie würden sich das Genick brechen. Diese Menschen bleiben in der Blockade stecken. Wenn es soweit kommt, hilft nur noch der Gang zu den Spezialisten, die als nicht involvierte Personen Impulse setzen, anleiten und begleiten.
Wie bei vielen Themen beugt das Bewusstsein der Thematik einem extremen Verlauf vor. Das Wissen hilft, Blockaden bei sich selbst und anderen zu erkennen, sich aus der hilflosen Starre zu lösen und wieder zu handeln.
Weiterführende Informationen:
Publikationen der Ergopraxis
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