Klingt fast zu gut, um wahr zu sein? Die Erfinder von «DeepCovid» sind Forscher von der renommierten US-Universität Princeton. Und sie wollen schon bald «liefern». Bild: unsplash / Corinne Kutz
Die US-Firma NeuTigers arbeitet an einem Corona-Echtzeit-Test, der auf handelsüblichen «Wearables» wie der Apple Watch funktioniere. Hier sind die wichtigsten Fragen und Antworten zur «CovidDeep»-Technologie.
Versprechen der CovidDeep-Entwickler
Während eine Corona-Impfung auf sich warten lässt, gilt das häufige Testen als Schlüssel zur Eindämmung der Seuche und für eine weitergehende Öffnung der Wirtschaft.
Beim gegenwärtigen Prozedere sind die Gesundheitsbehörden allerdings vielerorts nicht in der Lage, mit den Ansprüchen bezüglich der Corona-Tests Schritt zu halten. Öfters lassen Resultate auf sich warten. Zudem sollten sich viel mehr Menschen testen lassen. Und dies immer wieder.
Hier könnte eine neuartige «Wearable»-Technologie helfen, die schon in wenigen Wochen marktreif sein soll. Das stellen die Entwickler von CovidDeep in Aussicht.
So viel scheint schon heute klar: Wenn die Technik wie versprochen funktioniert, hat sie das Potenzial, den Verlauf der Corona-Pandemie entscheidend zu beeinflussen.
In Grossbritannien zeigt sich dieser Tage ein Problem, das wegen der Corona-Pandemie vielen Ländern droht: Die Gesundheitsbehörden sind mit dem massenhaften Testen überfordert. Die Covid-19-Erkrankungen nehmen zu.
Experten warnen, die britische Regierung habe «die Kontrolle über das Virus verloren» und für die Bevölkerung sei es zunehmend schwierig oder unmöglich, sich schnell testen zu lassen. Es handle sich nicht mehr um kleine Ausbrüche, auf die man einwirken könne, zitiert der «Guardian» einen früheren Regionaldirektor des National Health Service (NHS).
Doch genau das wäre nötig, damit die Strategie zur Seuchenbekämpfung funktioniert: «Test, Trace and Isolate» (Testen, Nachverfolgen und Isolieren) setzt bislang voraus, dass Infektionen möglichst rasch erkannt und durch einen biologischen Test bestätigt werden. Erst dann können sich die Contact-Tracing-Teams an die Arbeit machen und möglicherweise infizierte Kontakte ausfindig machen. Und die mittlerweile in vielen Ländern verfügbaren Proximity-Tracing-Apps setzen zwingend ein positives Testresultat voraus, um Dritte mit einem Hinweis auf dem Smartphone anonym warnen zu können.
Hier will CovidDeep ansetzen. Es ist eine neuartige Technologie, entwickelt von US-amerikanischen Forschern, die viele herkömmliche Coronatests überflüssig machen würde. Das Konzept sieht vor, dass man nur eine App auf der Smartwatch installieren muss und in der Folge automatisch und rund um die Uhr die Gesundheit überwachen lassen kann.
Die Entwickler schreiben:
quelle: medienmitteilung
Die Entwickler schreiben:
Zunächst mussten die Forscher Daten von Corona-Patienten beschaffen, um darauf basierend ihr Software-Modell für die Covid-19-Erkennung zu perfektionieren. Es ging um eine Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI), oder etwas genauer, um ein künstliches neuronales Netzwerk.
Dann ging es daran, die Algorithmen zu trainieren.
Der Technische Leiter erklärt:
Die Daten stammen aus einem Epizentrum der Corona-Krise vom Frühjahr – der italienischen Region Lombardei. Gemessen und erhoben wurden die Daten mit einer für medizinische Zwecke geeigneten Smartwatch vom Typ «Empatica E4» sowie einem Samsung-Smartphone, dem Galaxy S8.
Die Wissenschaftler konnten physiologische Daten von 87 Personen aus vier Kohorten sammeln, darunter gesunde, asymptomatische (aber SARS-CoV-2-positive) sowie mässig und schwer symptomatische Covid-19-Patienten.
Das von den Forschern entwickelte Modell zur Covid-19-Erkennung genügte nicht: Da die gängigen Smartwatch-Modelle – allen voran Marktführer Apple mit seiner Apple Watch – nicht über die oben erwähnten Spezialsensoren verfügen, mussten die Forscher ihre Software anpassen.
Der Technische Leiter sagte, das Forschungsteam habe im Wesentlichen 10 verschiedene Kombinationen von Modellen mit verschiedenen Genauigkeitsgraden von über 90 Prozent entwickelt. «Wenn Sie also keinen GSR-Sensor mit galvanischer Hautreaktion haben, wenn Sie nur eine typische Smartwatch mit Hauttemperatur- oder Herzfrequenzmonitor haben, können wir das Modell trotzdem einsetzen.»
Vishu Ghanakota, CTO
Die Ursprünge des Projekts lagen in der Entwicklung eines Modells zur Diagnose von psychischen Erkrankungen und Diabetes, wie der technische Leiter weiter erklärte. Die Forscher verfügten noch immer über diese Modelle und könnten damit «Validierungsstudien» einleiten. «Tatsächlich waren wir dazu in der Lage, bevor der Ausbruch des Virus begann.»
Für Patienten mit psychischer Erkrankung werde dies wahrscheinlich noch viel wichtiger werden. Die Pandemie betreffe viele Menschen auf unterschiedliche Weise.
Der Technische Leiter:
Vishu Ghanakota, CTO
Ghanakota betonte gegenüber dem «Observer», dass Validierungsstudien gestartet wurden: «Wir haben eine in Paris, eine in der Nähe von Genf, eine in Nordafrika, eine weitere in Japan und noch eine weitere in Indien.» Es gehe darum, wissenschaftlich sicherzustellen, dass die gleiche Datengenauigkeit (wie in Italien) auch für Menschen mit unterschiedlichen ethnischen und finanziellen Hintergründen etc. gelte.
Der Datenschutz sei gewährleistet, versichern die CovidDeep-Entwickler. Und dies im Sinne der relativ strengen europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO).
Der Technische Leiter betont zudem, dass ein Ethikausschuss die Forschungsarbeiten genehmigt habe:
Vishu Ghanakota, CTO
Das zunehmende diagnostische Potenzial von Smartwatches werde Fragen des Schutzes der Privatsphäre am Arbeitsplatz in den Vordergrund rücken, prognostizierte «Business Insider» nach einem Interview mit dem NeuTigers-Co-Gründer Adel Laoui. «Denn ohne Leitplanken könnten Unternehmen schon bald einen beispiellosen Einblick in den physischen und psychischen Zustand ihrer Mitarbeiter erhalten.»
Als Reaktion auf die Corona-Krise habe Fitbit beispielsweise eine «Ready for Work»-Plattform eingeführt, die mit Hilfe von Smartwatches die Wahrscheinlichkeit bewerte, dass ein Mitarbeiter infiziert sei. Und leite diese Informationen über ein Monitoring-Softwaretool an den Arbeitgeber weiter.
Der NeuTigers-Technikchef verneint.
Vishu Ghanakota, CTO
Nein, definitiv nicht. Wie die Corona-Warn-App muss auch der Corona-Echtzeit-Test für die Smartwatch als ein technisches Hilfsmittel verstanden werden im Kampf gegen die Corona-Pandemie. Sofern CovidDeep tatsächlich wie geplant in den kommenden Monaten lanciert werden kann.
Was hältst du von einer solchen Screening-App?